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2.3

Abzüge

2.3.3

Sozialversicherung

Ermäßigte Beitragssätze in der ATZ-Freizeitphase

   

Auszüge aus dem BSG Urteil vom 25.08.2004 - B 12 KR 22/02 R

Leitsatz

Besteht im Rahmen der Altersteilzeit während einer Zeit der vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt fort und ruht daher insofern der Anspruch auf Krankengeld, sind Beiträge nach dem geminderten Beitragssatz (§ 243 SBG V) zu entrichten.

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, nach welchem Beitragssatz die Beiträge für die Krankenversicherung des Klägers bei der beklagten Krankenkasse während der Freistellungsphase nach dem Altersteilzeitgesetz (AltTZG) zu bemessen sind.

Der 1939 geborene Kläger vereinbarte mit der beigeladenen Arbeitgeberin einen Altersteilzeitvertrag, dem zufolge das Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Februar 1997 als Altersteilzeitverhältnis fortgeführt und am 30. Juni 2001 ohne Kündigung enden sollte. Ab dem Beginn der Freistellungsphase am 1. Mai 1999 beantragte der Kläger eine Ermäßigung des Beitragssatzes, da er in der Zeit der Freistellung kein Krankengeld beziehen könne.

.......

Entscheidungsgründe

II

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Vorausgesetzt, der Anwendungsbereich des § 7 Abs 1a SGB IV ist nach den Feststellungen des LSG eröffnet, ist die Klage unabhängig von der Art der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten auch begründet. Die zu entrichtenden Beiträge sind dann jeweils auf der Grundlage des nach § 243 Abs 1 Regelung 1 SGB V geminderten Beitragssatzes  zu bemessen. Personen wie der Kläger, die ihrem Arbeitgeber während einer Zeit der Freistellung iS von § 7 Abs 1a SGB IV eine Arbeitsleistung weder schulden noch tatsächlich erbringen, können nämlich in dieser Zeit wegen der Ruhensregelung in § 49 Abs 1 Nr 6 SGB V einen realisierbaren Anspruch auf Krankengeld durchgehend und ausnahmslos nicht erwerben. Die Beklagte trifft in ihrem Fall während der Freistellungsphase kein größeres Leistungsrisiko als bei Versicherten, die von vorne herein aus der Krankengeldversicherung ausgeschlossen sind. Hierzu gilt im Einzelnen:

Gemäß § 220 Abs 1 Satz 1 SGB V werden die Mittel “für die Krankenversicherung” durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht. Innerhalb des hierdurch begründeten Systems der Globaldeckung findet eine Differenzierung nach Leistungsarten oder Versicherungssparten grundsätzlich nicht statt. Dem entspricht auf der Ebene des einzelnen Mitglieds eine nur gering ausgeprägte Wechselbezüglichkeit von Beitrag und “Leistung” bzw individuell ausgeprägtem Risiko. Vielmehr beteiligt sich das einzelne Mitglied entsprechend dem Gedanken des solidarischen Ausgleichs innerhalb der Versichertengemeinschaft durch grundsätzlich für jeden Tag der Mitgliedschaft zu zahlende Beiträge (§ 223 Abs 1 SGB V ggf iVm § 240 Abs 2 Satz 2 SGB V in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem 1. Januar 2004) nach seiner Leistungsfähigkeit an deren Ausgaben (vgl BSGE 69, 72, 74 = SozR 3-2500 § 241 Nr 1 und die dortigen Nachweise).

Ausnahmen von der solidarischen Finanzierung der Gesamtausgaben sind möglich (§ 3 Satz 2 SGB V “… in der Regel …”), bedürfen aber der eindeutigen Bestimmung. Hinsichtlich der Differenzierung der Beitragssätze nach dem Krankengeldrisiko sind die Regelungen der §§ 241 Satz 3, 242 und 243 Abs 1 Alternative 1 SGB V vor diesem Hintergrund Ausdruck eines abschließenden Regelungskonzepts (BSGE 76, 93 = SozR 3-2500 § 242 Nr 2). Dies gilt ebenso, soweit innerhalb der Krankengeldversicherung deren Versicherte in § 241 Satz 3 und § 242 SGB V typisierend nach der (Dauer der) ihnen bei Arbeitsunfähigkeit zustehenden Entgeltfortzahlung unterschieden werden und hiervon die Anwendung des allgemeinen bzw des erhöhten Beitragssatzes abhängt (BSG aaO und BSGE 69, 72, 74 = SozR 3-2500 § 241 Nr 1).

Gleichermaßen für Pflicht- wie für freiwillig Versicherte ergibt sich der maßgebliche Beitragssatz rechtlich grundsätzlich und faktisch in aller Regel aus § 241 SGB V iVm der Satzung des Versicherungsträgers. Hiernach sind die Beiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen in der Satzung festgesetzt wird (§ 241 Satz 1 SGB V). Soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, zahlen Mitglieder Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz (Satz 2). Dieser Beitragssatz von hier in der Zeit ab dem 1. Januar 2000 11,90 vH (§ 10 I. der Satzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten) gilt auf Grund spezialgesetzlicher Anordnung in § 241 Satz 3 SGB V für Mitglieder, die bei Arbeitsunfähigkeit für mindestens sechs Wochen “Anspruch” (eine Aussicht) auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts … haben. Für den Normalfall geht das Gesetz damit davon aus, dass Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzeitig in deren Sparte Krankengeldversicherung versichert sind und dort für sie wegen der Ruhensvorschrift in § 49 Abs 1 Nr 1 SGB V rechtlich grundsätzlich und faktisch in der Regel nur eine Höchstzahlungsdauer des Krankengeldes von 72 Wochen innerhalb einer 78-wöchigen Blockfrist (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V) in Rechnung zu stellen ist, während der krankheitsbedingte Ausfall von Erwerbseinkommen für (mindestens) sechs Wochen durch die - regelmäßig höheren - Zahlungen des Arbeitgebers kompensiert wird.

Sofern Versicherte der Krankengeldversicherung demgegenüber nur eine Aussicht auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit für weniger als sechs Wochen haben und dadurch deren Leistungsrisiko auf eine Höchstzahlungsdauer von mehr als 72 Wochen anwächst, wird der allgemeine Beitragssatz durch den einheitlichen, dh nicht seinerseits weiter abgestuften (BSGE 76, 93 = SozR 3-2500 § 242 Nr 2), höheren Beitragssatz des § 242 SGB V (bei der Beklagten nach § 10 II. 1. ihrer Satzung 14,70 vH) ersetzt. Dagegen ist nach § 243 Abs 1 Regelung 1 SGB V ein - ebenfalls einheitlicher - ermäßigter Beitragssatz (von bei der Beklagten 11,40 vH nach § 10 II. 2. der Satzung) vorzusehen, wo der Risikobereich der Krankengeldversicherung von vornherein nicht eröffnet ist, weil “kein Anspruch auf Krankengeld” besteht. § 243 Regelung 2 SGB V findet in der Krankengeldversicherung entgegen der Revision keine Anwendung (BSGE 76, 93 = SozR 3-2500 § 242 Nr 2). Auch ist für den Kläger kein besonderer Beitragssatz (§§ 244 ff SGB V) einschlägig.

Der Kläger gehört in der Freistellungsphase seiner Altersteilzeit dem von § 243 Abs 1 Regelung 1 SGB V erfassten Personenkreis an. Die Norm findet zwar grundsätzlich nur auf solche Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung Anwendung, die ausnahmsweise nicht auch gleichzeitig zu den Versicherten der Krankengeldversicherung gehören. Dies sind insbesondere die in § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich Genannten und die auf Grund entsprechender Satzungsregelung nach Abs 2 Regelung 1 aaO ausgeschlossenen freiwilligen Mitglieder. Bei ihnen fehlt es mangels Zugehörigkeit zur besonderen Sparte Krankengeldversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung jeweils bereits an einer Aussicht auf Krankengeld, sodass das Entstehen von Rechten und “Ansprüchen” (im rechtstechnischen Sinn der §§ 194 Bürgerliches Gesetzbuch, 40 Abs 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) zweifelsfrei ausgeschlossen ist. Dagegen führt ein künftig zu erwartendes oder bereits eingetretenes Ruhen von Ansprüchen auf Krankengeld grundsätzlich und in aller Regel nicht zu einer Verpflichtung der Kassen, den Beitragssatz auch für die hiervon Betroffenen satzungsrechtlich zu ermäßigen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die mit dem Ruhen verbundene Erfüllungsfunktion die Existenz von Ansprüchen (und damit einer regelmäßig vorgängigen Aussicht auf Krankengeld auf Grund Zugehörigkeit zur Krankengeldversicherung) rechtlich und logisch voraussetzt, dass der spezifische Risikobereich der Krankengeldversicherung eröffnet und die Beitrags(satz)gestaltung unter seiner Einbeziehung gerechtfertigt ist. Darüber hinaus mögen für das tradierte enge Verständnis des § 243 Abs 1 Regelung 1 SGB V allgemein die mit dem SGB V generell erfolgte Beschränkung der Ermäßigungstatbestände gegenüber dem früheren Recht (vgl Peters in Kasseler Kommentar, Stand März 2004, § 243 SGB V RdNr 3) ebenso sprechen, wie die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BR-Drucks 200/88 S 225 zu § 252 des Entwurfs).

Sinn und Zweck des § 243 Abs 1 Regelung 1 SGB V gebieten es jedoch, auch dann anzunehmen, dass in seinem Sinne “kein Anspruch auf Krankengeld besteht” und dem zufolge der ermäßigte Beitragssatz in § 10 II. 2. der Satzung der Beklagten anzuwenden ist, wenn - wie in Fällen der vorliegenden Art - eine gesetzliche Ruhensanordnug die Betroffenen im Ergebnis ebenso vollständig (wenn auch auf unterschiedlicher rechtlicher Regelungsebene) vom Schutz der Krankengeldversicherung ausnimmt, wie die Bestimmungen über den Ausschluss aus dem dort erfassten Personenkreis. Zwar sind Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nicht etwa allein deshalb aus der Krankengeldversicherung ausgeschlossen, weil sie zugleich dem Anwendungsbereich des § 7 Abs 1a SGB IV unterfallen. Vielmehr erstreckt sich unabhängig vom Tatbestand dieser Norm und in Ermangelung von Sonderregelungen auch ihre Mitgliedschaft gleichzeitig auf die Krankengeldversicherung, deren besonderen Personenkreis die §§ 44 Abs 1 Satz 1, 45 Abs 1 Satz 1 SGB V über ihren unmittelbaren Regelungsbereich (die Entstehung von “Ansprüchen” auf Krankengeld im Einzelfall) hinaus unter anderem umschreiben. Auch auf Arbeitnehmer in der Freistellungsphase findet damit der Grundsatz Anwendung, dass Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzeitig auch solche der Krankengeldversicherung sind. Dies gilt erst recht, soweit das Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeiten mit § 7 Abs 1a SGB IV spezialgesetzlich die Voraussetzungen einer abhängigen entgeltlichen Beschäftigung während der Freistellungsphase regelt und damit im Anwendungsbereich des § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V mittelbar gerade hierdurch die Zugehörigkeit zur Kranken(geld)versicherung begründet (vgl BT-Drucks 13/9818 S 9). Indes kann eine mitgliedschaftliche Zuordnung zur Krankengeldversicherung die Bemessung des Krankenversicherungsbeitrages nach dem allgemeinen Beitragssatz des § 241 Satz 2, 3 SGB V bzw dem erhöhten des § 242 SGB V nur dann rechtfertigen, wenn sich diese Mitgliedschaft nicht in einer nur abstrakten Eröffnung des rechtlich zugewiesenen Risikobereichs bei künftiger Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen erschöpft, sondern wenigstens potenziell auch mit der tatsächlichen Erbringung von Versicherungsleistungen in den Fällen der Arbeitsunfähigkeit (§ 44 Abs 1 Satz 1 Regelung 1 SGB V), der stationären Behandlung auf Kosten der Krankenversicherung (§ 44 Abs 1 Satz 1 Regelung 2 SGB V) und bei Erkrankung eines Kindes (§ 45 SGB V) einhergeht. Ein auch wirtschaftliches Risiko der Krankengeldversicherung in den genannten Fällen, das sich in der Beitragssatzgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung abbilden kann und der finanziellen Absicherung durch die erhobenen Beiträge bedarf, ist nämlich allein dann eröffnet, wenn Mitglieder zumindest die Möglichkeit haben, dass bei ihnen zahlbare Ansprüche auf Krankengeld entstehen.

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Fundstellen

NWB 2004, 2854
NZA 2005, 212
KrV 2005, 24
SGb 2004, 624
SozR 4-2500 § 243, Nr. 1

 

 

 

 

 

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